Aller Anfang ist schwer: Als wir im Frühjahr in unserer Jugendhilfeeinrichtung ein Gartenprojekt starteten, war die Resonanz unter unseren Bewohnerinnen und Bewohnern überschaubar. Einige Jugendliche waren nur schwer zu motivieren, sich aktiv an der Gartenarbeit zu beteiligen. Zu ziellos schien es, umzugraben und Unkraut zu jäten. „Wofür?“ war in den Gesichtern dieser Jugendlichen zu lesen. Die euphorisch vorgetragene Beschreibung des Pädagogen, dass wir in der Lage sein würden, unser eigenes Obst und Gemüse zu ernten, schien keine Begeisterung auszulösen. Was die Jugendlichen hier sahen, war lediglich Arbeit!
Nachdem sich dann doch eine Handvoll Jugendlicher überreden ließ, Hacke und Schaufel in die Hand zu nehmen, um den Boden zu lockern, ging es daran zu entscheiden, was wir in unserem Garten anpflanzen wollten. Ich besorgte ein Gartenbuch mit dem Titel „Mischkultur“ und überraschte die Jugendlichen mit der Erkenntnis, dass bestimmte Pflanzen nicht gerne nebeneinanderstehen, da sie sich gegenseitig im Wachstum hinderten; bei anderen sei es genau umgekehrt und sie würden von bestimmten Nachbarn profitieren. Als eine Jugendliche sagte, dass dies bei den Menschen ja auch so sei, gab ich ihr schmunzelnd Recht: Wir alle brauchen die richtige Umgebung und gute Nachbarn, um unser volles Potential ausschöpfen zu können!
Das richtige Umfeld: Zusammen setzten wir dann Tomaten, Paprika, Bohnen, Auberginen, Artischocke, Salate und weiteres Gemüse ins Feld, wobei wir stets darauf achteten, dass sich die direkten Nachbarn auch jeweils vertragen. Dazwischen pflanzten wir diverse Kräuter, von denen es hieß, sie seien in der Lage, Schädlinge abzuhalten. Als das Beet schließlich harmonisch befüllt war, waren wir überzeugt, alle Voraussetzungen getroffen zu haben, dass unsere kleinen Pflänzchen prächtig wachsen und gedeihen könnten.
Früchte unserer Arbeit: Wahrscheinlich glaubten manche der Jugendlichen, dass unsere Pflanzen von nun an alleine zurechtkämen, denn für regelmäßiges Gießen, hier und da Unkraut zupfen oder Ausgeizen der Tomatentriebe waren nur wenige zu gewinnen. Der Garten und mit ihm unser freiwilliges Gartenprojekt waren in dieser Phase weniger gut besucht.
Das änderte sich erst, als sichtbar wurde, was die Belohnung für unsere Mühen sein sollte: Die ersten Beeren reiften und es wurde fleißig geerntet! Als der erste eigene Salat gepflückt und kurze Zeit später beim Mittagessen verzehrt wurde, war in den Gesichtern einiger Jugendlicher der Stolz darüber zu erkennen, dass sie dabei mitgewirkt hatten!
Der pädagogische Blick: Der Garten war mehr als nur Lernort für ökologische Zusammenhänge und Naturbewusstsein geworden, in ihm reiften auch Motivation und Selbstwertgefühl unserer Jugendlichen heran. Mit der Zeit und durch die gemeinsame Arbeit wuchsen nicht nur die Pflanzen, sondern auch das Engagement und der Stolz der jungen Menschen. Sie konnten die Früchte ihrer Arbeit buchstäblich ernten und erlebten dadurch den Erfolg ihres eigenen Schaffens.
Solche Erfolgserlebnisse führen auf natürliche Weise zu einer Stärkung von Selbstwirksamkeit und Selbstbewusstsein – das wiederum sind die Früchte, die wir Pädagoginnen und Pädagogen in unserer täglichen Arbeit mit den Jugendlichen ernten dürfen. Und wie beim Gärtnern brauchen wir auch in der Jugendarbeit Geduld und Geschick, um die Jugendlichen zu begeistern und einen Sinn hinter Aufgaben sichtbar zu machen. Auch wir müssen die richtige „Mischkultur“ finden, also eine Umgebung, in der sich die Jugendlichen wohlfühlen und entfalten können.
Sollten dann Aufmerksamkeit und liebevolle Fürsorge dazukommen, können am Ende die schönsten Früchte geerntet werden - sei es im Garten oder in Form von selbstbewussten, motivierten jungen Menschen.
Florian Wolf
Sozialpädagoge